So entstehen Protagonisten
Die Forschung am lebenden Objekt ist mein Spezialgebiet. Deshalb befinde ich mich auf Safari – auf Menschen-Safari um genau zu sein. Ich liege mitten auf einem Discounterparkplatz auf der Lauer und suche prachtvolle Exemplare einer besonderen Spezies – Protagonistenvorbilder.
Schnell werde ich fündig. Exotische Originale streifen zuhauf über den Platz. Ein Geschöpf faszinierender als das Andere.
Sie unterscheiden sich
– durch ihre Gangart: Der Oberkörper nach vorngebeugt, hängende Schultern, behäbige Schritte
– durch ihre Verständigung: »Isch hab dir gleich gesacht, dat dat so nit gehen wirt.«
– durch ihre Gebärden: Das triefende Geruchsorgan hochziehen und gesammeltes Nasensekret durch den Mund absondern
– durch ihre Gefieder: Ein zur Hälfte aufgeknöpftes Hemd kombiniert mit einer hautengen Jeans
– durch ihre Ausdünstungen: Ein schwerer Moschusduft mit säuerlicher Schweißnote
Ohne es zu wissen, geben sie durch ihr Auftreten viel von sich preis – für mich ein gefundenes Fressen.
Ich protokolliere jedes Detail. Das erspart mir später Arbeit bei der Figurenentwicklung.
Bei Bedarf greife ich dann auf mein Archiv zurück – modelliere aus mehreren Personen mein gewünschtes Individuum.
Zugegeben, ich greife tief in die Klischee-Kiste. Aber ich habe nichts dazu gedichtet.
Wer die Augen offen hält, den trifft das wahre Leben.